Flachsgruppe

Wir sind die Flachsgruppe:
Hans Hermann Damm, Udo Engling, Wilhelm Martmann, Christel Pröbsting, Hans Röpke, Klaus Rützel, Heinz Sawitzki, Barbara Schlagenwerth, Bernhard Schlagenwerth

Treffen: Mittwochs um 15:00 Uhr im Flachsrösthaus
Gruppensprecher: z.Zt. vakant

Was wir so machen:

Mitgleider der Flachsgruppe, weibliche und männliche, treffen sich mittwochs nachmittags im Heimathaus. Hier werden die aus der Flachspflanze gewonnenen Leinenfasern versponnen, zu Garnrollen verarbeitet und es wird ein Leinenstoff gewebt.

Außerhalb des Heimathauses zeigen wir, verstärkt im zweiten Halbjahr, an einigen Wochenenden auf Stadt- und Marktfesten, wie etwa im 19. Jahrhundert, mit Geräten aus dieser Zeit, der Brake, der Schwinge und dem Hechelkamm aus der Flachspflanze die Leinenfasern gewonnen und versponnen werden und auf einem Webstuhl zeigen wir, wie ein Leinentuch gewebt wird.

Von Flachs und Leinen in Wulfen

Flachsmarkt in Wulfen – eine in unserer heutigen Zeit fest etablierte Veranstaltung des Heimatvereins Wulfen 1922 e.V., die seit 1992 im Zwei-Jahres-Rhythmus stattfindet. Welche Bewandtnis es mit dem Flachs hat und welche Tradition sich damit in Wulfen verbindet, soll nachstehend verdeutlicht werden.

Herkunft und Verbreitung

Flachs zählt zu den ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. Sein lateinischer Name „Linum usitatissimum“ bedeutet der äußerst nützliche Lein. Alle Teile dieser Pflanze können verwendet werden. Von den Ägyptern, Babyloniern, Phöniziern und vielen anderen Kulturvölkern wurde Flachs schon 5000 – 4000 v. Chr. systematisch angebaut. Früheste Funde, Fragmente einer Wildform von Samen und Kapseln, datiert 7500 – 6750 v. Chr., wurden im Iran gemacht. Es wird angenommen, dass die Inkulturnahme des Faserleins schon vor der zweiten Hälfte des 7. Jahrtausend v. Chr. geschehen sein muss. Im Britischen Museum in London befindet sich Leinengewebe aus Ägypten, das um 5000 v. Chr. angefertigt wurde. Altägyptische Darstellungen aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. zeigen den Werdegang von Saat, Ernte und Verarbeitung. Mumien wurden mit Leinwandbinden umwickelt, nicht mit Baumwollbinden. Die frühesten Funde in Europa, datiert 2700 v. Chr., wurden in der Schweiz gemacht. Aus der Bronzezeit (2000 – 500 v. Chr.) stammen Funde aus Spanien, England, Schottland und Irland. Der Flachsanbau verbreitete sich über ganz Europa. Kleidungsstücke aus Leinen wurden ein beliebtes Handelsgut.

Vom Leinsamen bis zum Leinenhemd

Es gibt den Flachs als Faserpflanze und als Ölpflanze. Anbau und Ernte: Etwa Mitte April, am 100. Tag, kann die Aussaat erfolgen. Zur Leinölgewinnung wird der Flachs breiter ausgesät, damit sich mehr Blüten bilden können, d. h. somit mehr Samen gewonnen wird. Der Ölflachs bleibt niedrig, und das Feld sieht zur Blütezeit wie ein wogendes blaues Meer aus. Der Faserflachs wird dichter als Getreide und meistens genauso in Reihen gesät. Ein Abstand von 7 – 10 cm gilt als optimal. Die Flachsfasern können 1,20 m bis 1,40 m lang werden und haben einen Durchmesser von 0,2 mm. Etwa 100 Tage nach der Aussaat ist der Flachs reif und kann gerauft (gezogen) werden. Man unterscheidet Grün-, Gelb-, Voll- und Überreife. Der Faserertrag ist bei der Gelbreife am höchsten. Die Flachspflanze wird mit der Wurzel aus dem Boden gerauft und zu Garben gebunden. Etwa 8 – 10 Garben werden zum Trocknen in Hocken aufgestellt.

Arbeitsgänge zur Verarbeitung:

1. Die Riffel:

Mit Hilfe der Riffel werden die Kapseln mit dem Leinsamen von den Stängeln getrennt. Die Riffel ist ein Kamm aus Hartholz oder Eisen. Ein Flachsbund wird in den Kamm geschlagen und durchgezogen. Die Kapseln bleiben hängen und fallen zu Boden. Mit der Wannenmühle werden Leinsamen und Spreu getrennt. Der Leinsamen wird zur Gewinnung von Leinöl zur Ölmühle gebracht. Der anfallende Ölkuchen wird an das Vieh verfüttert.

2. Das Rösten:

Rösten ist ein Fäulnisvorgang durch Bakterien und Pilze. Die Gewinnung der Faser ist ein langwieriger Prozess. Die Faserschicht des Flachsstängels ist mit dem holzigen Kern im Inneren und mit der dünnen Rinde durch einen harzartigen Leim fest verklebt. Zwei Röstverfahren sind möglich: Die Wasserröste: Die gebündelten Stängel werden abgedeckt und beschwert. Sie verbleiben mehrere Tage in stehendem oder fließendem Wasser (Bakterien). Flachs mit Kapseln geriffelt gebrochen geschwungen gehechelt Werg Leinsamen Schäben Die Tauröste: Hier wird der Flachs auf einer Wiese oder einem Stoppelfeld ausgebreitet und der Witterung ausgesetzt (Pilze). Das Trocknen erfolgt oft im Röstofen. Der Heimatverein Wulfen hat in seinem Flachsrösthaus einen solchen Ofen zu Schauzwecken aufgebaut.

3. Die Brake:

Je eine handvoll der Flachsbündel werden mit der Brake so lange geschlagen, bis der Holzkern des Stängels gebrochen ist und herausfällt. Zum Brechen muß der Flachs sehr trocken sein, da sonst die Schäben (Holzteile) nicht abfallen.

4. Die Schwinge:

Auf dem Schwingbock werden mit dem Schwingmesser die groben Schäben herausgeschlagen und so die Fasern geschmeidig gemacht.

5. Die Hechel:

Das Faserbündel wird hier gehechelt (gekämmt), zunächst auf der Grobhechel, dann auf der Feinhechel. Das anfallende Werg der Grobhechel und der Feinhechel wird auf der Reeperbahn (Seilerbahn) zu Seilen verarbeitet. Die auf der Feinhechel gewonnenen Fasern werden auf einer Lederschürze mit dem Ribbeeisen (Kratzmesser) bearbeitet, damit auch die letzten Schäben entfernt werden und so sehr geschmeidige Fasern für feinstes Leinen entstehen können.

6. Das Spinnrad:

Bis Anfang des 16. Jahrhunderts wurde Flachs nur mit der Handspindel gesponnen. Allmählich wurde das Spinnrad entwickelt. Flachs wird heute vom Rocken (auch Wocken genannt=senkrechter Stab, um den das Fasergut herumgeschlungen ist) gesponnen. Das Spinnrad dreht die vom Rocken gezogenen Fasern zu sehr dünnen Fäden für besonders feine Tuche zusammen und zieht den so entstandenen Faden automatisch auf die Spule. Es erfordert sehr viel Übung, einen starken, dünnen, gleichmäßigen Faden zu spinnen. Pflanzliche Fasern zu spinnen ist entschieden schwieriger als das Verspinnen von tierischer Wolle. Zum Spinnen trafen sich die Frauen abends in einer Bauernstube. Später kamen die jungen Burschen dazu, um ihre Liebsten abzuholen.

7. Die Haspel:

Um die notwendige Länge des Fadens zu messen, wird der gesponnene Faden von der Spule des Spinnrades auf eine Haspel gewickelt. Bei einem Haspelumfang von ca. 2,50 m und 50 Umdrehungen entsteht ein Faden von etwa 125 m Länge. Nach jeweils 50 Umdrehungen knackt die Haspel und das Bind muss an mehreren Stellen abgebunden werden. Mehrere Binde werden zu einem Strang abgebunden. So konnte der versponnene Flachs auch zweckmäßig gelagert und längenmäßig geordnet abgegeben werden.

8. Der Webstuhl:

Auf dem Webstuhl werden die gesponnenen Fäden durch Verkreuzen zu einer Tuchfläche verwebt (Kette und Schuss). Unsere Vorfahren bauten sich sogenannte Gewichtswebstühle aus Asthölzern, Stöcken und Steinen. Der erste Trittwebstuhl wurde um 1250 und ca. 100 Jahre da- nach der Schnellschusswebstuhl erfunden. Jeder Bauernhof hatte wenigstens einen Webstuhl. Dieser wurde meistens vom Bauern oder von einem der Knechte bedient. Das Beschicken des Webstuhles erfordert einigen Zeitaufwand. Zunächst muss die gleichmäßige Länge der Kettfäden mit Hilfe eines Schärbrettes oder Schärbaumes abgemessen werden. Dann werden alle Fäden mit Hilfe des Reedekammes auf dem Kettbaum aufgebäumt. Nun werden die Fäden durch die Litzen der Schäfte und durch die Standlade gezogen. Danach werden alle Fäden am Warenbaum befestigt. Mit dem Niedertreten eines Trittes werden die Schäfte bewegt: Ein Teil nach oben, ein Teil nach unten. Sie bilden dabei ein Fach. Für den Schuss wird jeweils ein Faden auf eine Spule gewickelt, die mit dem Handschützen durch das Fach geschossen wird. Ein zweimaliges Anschlagen mit der Standlade verfestigt den Schuss. Durch die vielfache Wiederholung dieser Vorgänge entsteht am Ende das gewebte Tuch.

9. Das Bleichen:

Um möglichst helle Stoffe zu erzielen, mussten die gewebten Tuche gebleicht werden. Das ist heute noch ein Zeichen für handgesponnenes und handgewebtes echtes, altes Leinen. Die Tuche wurden auf der so genannten Bleiche, einer Wiese in der Nähe von Bächen, ausgebreitet und angebunden. Die Leinenstücke mussten immer wieder gewässert und mit Pottasche bestreut werden. Zur Sicherheit wurde Tag und Nacht eine Wache aufgestellt..

Besondere Eigenschaften

Vorzüge der Flachsfaser: Hohe Festigkeit, sehr geringe Dehnungsfähigkeit, besonderer Glanz, rasche Feuchtigkeitsaufnahme, gutes Wärmerückhaltevermögen, Fähigkeit dampfförmiges Wasser aus der Luft aufzunehmen, gute Quellfähigkeit, Saugfähigkeit, gute Hitzebeständigkeit.
Nachteile der Flachsfaser: Uneinheitliche Faserlänge und Faserfeinheit.

Nutzungsmöglichkeiten:
Bei der Flachspflanze ergeben sich für die Flachsfasern Möglichkeiten bei der textilen Verarbeitung zu Oberbekleidung, Heimtextilien und Accessoires, bei der technischen Anwendung für Vliese, Verbundwerkstoffe, Papier, Dämmstoffe z. B. für die Innenverkleidung von Fahrzeugen, feuerfeste Türen und Bedachungsmaterial. Leinsamen findet Verwendung im Lebensmittelsektor und als Chemierohstoff. Leinöl ist als Grundstoff in der Farben- und Lackindustrie zu gebrauchen. Die Schäben sind nutzbar für Spanplatten und als Brennstoff. 2 kg Schäben haben den Heizwert von 1 Liter Heizöl. Flachswachs ist verwertbar als Pharma- und Kosmetikrohstoff.

Wulfen – das Flachs- und Leinendorf

Vor mehr als 400 Jahren stand in Wulfen und Umgebung die Schafzucht und der Flachsanbau in hoher Blüte. Ebenso wie die Wolle wurde der Flachs von den Bauern und Köttern selbst gesponnen und zu Laken gewebt. Als Flachs- und Leinendorf war insbesondere Wulfen wegen der Feinheit und Stärke der hier gewebten Leinen weithin bekannt. Für die Aussteuer der Töchter wurde „bestes Linnen aus Wulfen“ gerne gekauft.

1 Morgen Flachsanbau ergibt
375 Pfund spinnfähige Flachsfaser
Daraus webt man:
380 m feines Leinen, 80 cm breit
195 m grobes Leinen, 80 cm breit
Hieraus fertigt man die
Aussteuer einer Braut:
2 Dtz. Betttücher
5 Dtz. Geschirrtücher
2 Dtz. Bettbezüge
3 Dtz. Werghandtücher
4 Dtz. Kopfkissenbezüge
2 Dtz. Stallhandtücher
3 Dtz. Handtücher
3 Dtz. feine Handtücher
6 Tischtücher
4 Kaffeedecken
Vorhänge für 6 Fenster

Allerlei Flachs (Scherz), Gereimtes und Kurioses:

Märchen, Geschichten, Lieder und Reime aus alter Zeit erzählen vom Spinnen und Weben. Ebenso findet man noch heute manche Sprichwörter und Redewendungen aus der Flachsverarbeitung im deutschen Sprachgebrauch. Hier nur einige Beispiele:

Hechel (Jemanden durchhecheln)

Alte Männer (Du alter Knacker), die nicht mehr gut sehen konnten, mussten die Haspel (Sich verhaspeln) drehen, das Zählwerk knackte

Schäben, kleine Holzteile im Garn (Das ist aber schäbig)

Raufen, mit der Wurzel ausziehen (Sich die Haare raufen)

Spinnen am Morgen bringt Kummer und Sorgen (Armut)

Spinnen am Mittag bringt Glück am dritten Tag (Hochzeit)

Spinnen am Abend erquickend und labend (Erholung)

Die Braut hatte viele Leinenballen in ihrem Aussteuerschrank (Gut betucht)

„Niemand darf bei Kerzenlicht schwingen, oder brechen, klopfen noch dreschen.“ (Brandschutzbestimmung aus den Statuten der Stadt Dorsten vom Jahre 1489)

„Frauen und Leinwand kaufe bei Tageslicht.“

„Spinnen und Weben, das war ihr Leben.“

„Gott schuf nicht Tuch und Linnen, doch Flachs und Baumwolle gab er uns zum Spinnen. Auf Spinnrad und Webstuhl der menschliche Fleiß viel Gutes und Schönes zu schaffen weiß.“

Gruppensprecher:  –

Treffen: mittwochs um 16:00 Uhr am Flachsrösthaus

Nachruf Hans-Hermann Damm

Nachruf Manfred Bekeßus

Nachruf Klaus Rützel