Nachbarschaften

Nachbarschaftswesen und Brauchtumspflege in Wulfen

Die oft über Jahrhunderte gewachsenen Nachbarschaften in den Dörfern des Münsterlandes haben das Sozialgefüge maßgeblich beeinflusst, den Alltag entscheidend geprägt und sich bis heute in ihren Grundfunktionen lebendig erhalten und bewährt. In Wulfen gibt es weit über zehn Nachbarschaften, die zwar unterschiedliche Strukturen aufweisen, aber alle vom Ansatz her die gleichen Anliegen haben und deshalb in ihrer Vielfalt gelebte Tradition verkörpern und zur solidarischen Dorfgemeinschaft einen unverzichtbaren Beitrag leisten.

Nachbarschaften sind naturgemäß keine konfliktfreien Bereiche, jedoch als Not-, Schutz- und Trutzgemeinschaften haben sich bereits unsere Vorfahren von ihren Vorteilen überzeugen können und sich deshalb aktiv an der Erhaltung und Fortentwicklung beteiligt in dem Bewusstsein, dass nur Einigkeit in der Gemeinschaft den einzelnen Mitmenschen stark macht in den Unwägbarkeiten des Alltags.

Neben den Gebiets- und Ortsnachbarschaften (z. B. Surick, Wauert) existieren Straßennachbarschaften (z. B. Bückelsberg-Mitte, Eckern), und in Barkenberg haben sich beispielsweise die „Finnstädter“ zu einer Hausgemeinschafts-Nachbarschaft in einer Eigentümerwohnanlage zusammengefunden.

Wenn man zu den Ursprüngen gelangen möchte, können die Aufzeichnungen der Dorfbauerschaften sehr informative Quellen zur Heimatgeschichte sein. So schreibt Hauptlehrer Bartmann im Heimatkalender 1928 in seinem Beitrag über die Bedeutung der Bauernbücher in den Bauerschaften: „Das Buch der Dorfnachbarschaft Wulfen liegt mir vor. Es ist ein altes, ehrwürdiges, in Schweinsleder gebundenes Buch und weiß vieles zu erzählen aus den früheren Zeiten; ist es doch geführt worden seit dem Jahre 1670. Die erste Niederschrift lautet: ‚Anno 1670 am 8. Martii vor mir Notario und Gerichtsschreiber zu Lembeck persönlich vorkommen und erschienen der ehrbare und fromme Christian Steinheuer, Vogt zu Wulfen und Bauernrichter daselbst, über die Dorfbauer anzeigend, welcher gestalt er einige auf Papier verfaßte Intraden (Eintragungen) über die Dorfbauer bei sich vorhanden hätte, damit nun dieselben hinführo in gutem Verwahrsam verbleiben möchten, bat er selbige in diesem Buch zu annotieren und ein beständiges Register zu formieren, und seit seiner Bedienung dem löblichen Bund Rechnung zu tun begehrt.’ …

Das alte Bauernbuch liefert uns ein bedeutendes Stück Geschichte unserer Heimat. In jeder Bauerschaft der Herrlichkeit muss noch ein solches Buch vorhanden sein. Die alten Bauernbücher dürfen sich aber nicht in irgend einer Ecke verborgen halten, wo sie schließlich von Mäusen zerfressen werden. Man übergebe sie doch dem Heimatverein. Der wird sie für die Geschichte unserer Heimat verwenden und sorgfältig aufbewahren.“(Der Verbleib des alten Bauernbuches ist derzeit nicht bekannt.)

(Auszug aus
„WULFEN Geschichte und Gegenwart“, Seite 214ff, Heimatverein Wulfen 1922 e.V. 2004)