Die Wiege des Heimatvereins Wulfen stand in Hervest. Dort hatten sich am 7. Juli 1922 49 Honoratioren der Herrlichkeitsgemeinden versammelt, um den Verein für Orts- und Heimatkunde der Herrlichkeit Lembeck zu gründen. Für die konkrete Arbeit vor Ort sollte in jeder Herrlichkeitsgemeinde eine Ortsgruppe gebildet werden; deren Vorsitzenden wurden am 17. Juli 1922 festgesetzt. Für Wulfen wurden Paul Joly als erster Vorsitzender und Josef Kellner als sein Vertreter bestimmt.
Um das neu geschaffene Konstrukt „Ortsgruppe Wulfen des Vereins für Orts- und Heimatkunde der Herrlichkeit Lembeck“ mit Leben zu erfüllen, wurde eine fünfköpfige Kommission gebildet. Mitglieder waren: Hauptlehrer Burkhard Bartmann, Lehrerin Bernardine Herwers, Forstmeister Paul Joly, Lehrer Josef Kellner und Lehrer Paul Lippik. Schon am 10. November 1922 wurde die Ortsgruppe offiziell gegründet. Sie zählte über 70 Mitglieder. Bald schon nannte sie sich alternativ auch „Heimatverein Wulfen“.
In Arbeitsgruppen beschäftigte man sich mit dem Wulfener Kirchen- und Schulwesen. Thema war auch das Jagd-, Forst- und Fischereiwesen sowie das Handwerk vor Ort. Eine weitere Gruppe setzte sich mit der Entstehung und Erklärung alter Namen auseinander. Ein anderer Arbeitskreis sammelte Material rund um Lieder, Sagen, Sitten und Gebräuche. Politische Geschichte und Kriegsgeschichte wurden behandelt. Die Volkstanzkurse und Schnadegänge des Heimatvereins waren gut besucht. Auch seine jährlichen Nikolaus- und Martinsumzüge fanden großen Anklang.
Auf Heimatabenden sollte die Liebe zur Heimat gefördert und die plattdeutsche Sprache gepflegt werden. Es wurden Theaterstücke aufgeführt, Musikstücke und Gedichte vorgetragen. Man hielt Ansprachen und Vorträge. Beliebt war das gemeinsame Singen.
Einen großen Anteil an der Vereinsarbeit hatte die Begleitung der archäologischen Ausgrabungen in Wulfen und Deuten. Ein Teil der Funde wurde in einem eigenen Museum ausgestellt.
Die „Dorfstube“ wurde 1935 eröffnet und bestand bis zur Bombardierung am 22. März 1945.
Von 1938 an verfasste der Heimatverein eine ausführliche Ortschronik, die er ununterbrochen bis 1975 weiterführte.
Seit 1934 war der Bahnhofswirt Franz Rößmann erster Vorsitzender. Da führende Mitglieder des Heimatvereins ebenfalls teils hochrangige Mitglieder der NSDAP waren, wurde der Verein ab jetzt quasi unter dem Dach der Partei geführt. Wie in fast allen Heimatvereinen zu dieser Zeit erfolgte seine tägliche Arbeit, wie z.B. die Planung und Durchführung von Festen, in enger Abstimmung mit der NSDAP. Obwohl der Heimatverein mit über 40 Mitgliedern 1937 als Verein gut aufgestellt war, weist das Archiv des Heimatvereins Wulfen fast keine Unterlagen zu dieser Zeit auf. Ob es sie nie gegeben hat, ob sie in den Kriegswirren verschwanden oder nachträglich vernichtet wurden, ist ungewiss.
Das erste Nachkriegsdokument datiert vom 15. November 1946. Das Münsteraner Museum für Vor- und Frühgeschichte übersandte dem Heimatverein auf dessen Anfrage hin Berichte zu den in Sölten, Deuten und Wulfen stattgefundenen Grabungen.
Erster Vorsitzender des Vereins in der unmittelbaren Nachkriegszeit war der Hauptlehrer Heinrich Borchers.
Stellvertretend für den erst 1951 erneut zusammentretenden Heimatbund der Herrlichkeit Lembeck hielt der Heimatverein Wulfen die Mitgliedschaft im Westfälischen Heimatbund aufrecht.
1947 entstand die Idee, einen „Kulturring“ zu gründen, in dem viele Wulfener Vereine zusammenarbeiten sollten. Personell waren der neu gegründete Kulturring und der Heimatverein in vielen Fällen identisch und kaum auseinanderzuhalten; es gab nur eine Buchführung. 1949 wurde der Heimatverein offiziell eine Abteilung des Kulturrings, dessen Arbeit er dann seinerseits unter dem Vorsitz von Hermann-Josef Schwingenheuer ab 1952 übernahm.
Der Heimatverein wies ein lebendiges Vereinsleben auf. Für das Jahr 1947 verzeichnete die Buchhaltung des Heimatvereins/Kulturrings 129 Mitglieder, deren Zahl sich zwischen 1959 und 1962 auf ca. 60 einpendelte. Die 1939 eingestellten Nikolausumzüge wurden ebenso wieder aufgenommen wie die Schnadegänge. Hinzu kamen nun regelmäßige Vogelwanderungen. Die Lichtbildervorträge, Volkstanzkurse, Heimatabende und Aufführungen der Laienspielgruppe des Heimatvereins wurden wieder gern besucht. Erneut wurden Urnenfunde sichergestellt und dem Museum für Vor- und Frühgeschichte in Münster darüber berichtet. Ausflüge und Besichtigungsfahrten fanden statt. Zusammen mit dem MGV „Liederkranz“ wurden bis 1967 gemeinsame Altenfeiern durchgeführt.
Auch im Ort war der Heimatverein rührig. 1952 wurden umfangreiche Vorschläge für Wulfens neue Straßennamen bei der Gemeindevertretung eingereicht. Die 50 vorgeschlagenen Straßenbezeichnungen bezogen sich auf die Richtung, die Flurnamen, die Geschichte des Dorfes, auf Naturbezeichnungen und andere Motive. Der Vestischen Straßenbahn wurde eine Verbesserung der Omnibusverbindung vorgeschlagen. Auf Anregung des Heimatvereins wurden im Dorf Bänke aufgestellt.
Ende der 60er Jahre nahmen die Aktivitäten des Vereins sukzessive ab. In der Dorfchronik wird der Heimatverein letztmals 1973 mit seinem Nikolausumzug erwähnt: „Im Dorf wird wieder ein Nikolauszug durchgeführt. Es sind jetzt 40 Jahre her, daß der Heimatverein diesen schönen Brauch in Wulfen einführte und abgesehen von den Kriegsjahren auch immer veranstaltete. Vor 40 Jahren wurden 120 Stutenkerle ausgeteilt, in diesem Jahr waren es fast 10 mal soviel.“ Die letzte Vogelwanderung wurde am 10. März 1974 unternommen. Das letzte vorliegende Dokument ist ein Schreiben des Heimatvereins an die Vereinigung westfälischer Museen vom 6. Januar 1975. Der Brief bezieht sich auf die „Heimatkundliche Sammlung Wulfen“, da der Heimatverein zukünftig gemeinsam mit der Gesamtschule die Durchführung wechselnder Ausstellungen plante.
Information über die folgenden acht Jahre fehlen. Spätestens seit 1981, nach dem Tod seines Vorsitzenden Hermann-Josef Schwingenheuer, wird der Verein geruht haben. Ende 1983 griffen Arbeitsgruppen die Vereinsaktivitäten wieder auf und bereiteten die organisatorische Umgestaltung des Heimatvereins Wulfen zu einem eingetragenen Verein vor. Am 14. Juni 1984 wurde seine Reaktivierung und gleichzeitige Umbenennung in „Heimatverein Wulfen 1922 e.V.“ offiziell vorgenommen. 1. Vorsitzender wurde Dr. Hannes Schürmann.
Unter dem Vorsitz von Johannes Krümpel ist der Heimatverein Wulfen heute ein starker, überaus lebendiger Verein mit zahlreichen betriebsamen Arbeitsgruppen und über 1000 Mitgliedern, dessen Heimathaus oft der gesellige Mittelpunkt von Wulfen ist. Es gibt vieles über ihn zu berichten: Eine ausführliche und bebilderte Chronik ist in Vorbereitung.