Steinplatte erinnert in Dorsten an den Schnittpunkt von gleich vier alten Gemeindegrenzen (©Michael Klein, Dorstener Zeitung 29.01.2019)

Vertreter von mehreren Heimat- und Geschichtsvereinen weihten mit Bürgermeister Tobias Stockhoff die Bodentafel ein.
© Michael Klein

Schnatgang

Hier trafen früher gleich vier Gemeindegrenzen aufeinander: Mit einer Bodenplatte erinnert ein Geschichtskreis auch an ein altes Brauchtum, das einstmals Tausende von Bürgern bewegte.

Vertreter von mehreren Heimat- und Geschichtsvereinen weihten mit Bürgermeister Tobias Stockhoff die Bodentafel ein.

Normalerweise trennen Grenzen Gebiete und Menschen voneinander ab. In Dorsten brachten alte Gemeindegrenzen jetzt die Menschen zusammen. Anwohner, stadthistorisch tätige Dorstener sowie Vertreter der Heimatvereine aus Hervest, Wulfen/Deuten, Schermbeck sowie des Ökumenischen Geschichtskreises Holsterhausen präsentierten am Freitag eine in den Boden gelassene Steinplatte, die eine Besonderheit darstellt.

Zwischen zwei Wohngebieten

Denn der Standort, ein Gehweg zwischen den Wohngebieten Luisenstraße und Heedland direkt neben dem alten Grenzstein, ist ein Schnittpunkt von vier früheren Landgemeinden des Landkreises Recklinghausen. „In diesem Bereich kamen im Abstand von etwa 200 Metern die vier Gemeinden Hervest, Wulfen, Altschermbeck und Holsterhausen zusammen“, erklärte Walter Biermann vom Ökumenischen Geschichtskreis Holsterhausen. Altschermbeck und Holsterhausen gehörten bis 1929 zum Amt Alt-Schermbeck, Wulfen und Lembeck zum Amt Lembeck, beide Ämter waren ein Teil der Herrlichkeit Lembeck.

Mitel aus dem Bürgerbudget

Dass die Steinplatte dort gelegt werden konnte, ist dem Ökumenischen Geschichtskreis Holsterhausen zu verdanken: Die Mitglieder hatten bei der Stadt Fördermittel aus dem Bürgerbudget beantragt. 1500 Euro wurde ihnen aus diesem Topf bewilligt. Die Stadtteilkonferenz Holsterhausen hatte der Idee zuvor grünes Licht gegeben.

Mit der Einweihung der Steinplatte will der Ökumenische Geschichtskreis Holsterhausen aber auch an die Tradition der „Schnatgänge“ (Grenzbegehungen) erinnern. „Schnat bedeutet Schneise“, erklärte Ulrich Brendscheidt vom Geschichtskreis. Er ist pensionierter Vermessungsingenieur und hat sich mit der Geschichte der Snatgänge beschäftigt. „Schon im Mittelalter haben die Bürger ihre Gemeindegrenze kontrolliert“, sagte er. „Zum Teil war es ein Volksfest mit 10.000 Bürgern, wobei die alteingesessenen Poalbürger den Neubürgern zeigten, bis wohin das Gemeindegebiet reicht.“

Getränkespende

An besonderen Rastplätzen, zum Beispiel, wenn es sich um einen Schnittpunkt mehrerer Grenzen handelte, gab es eine Getränkespende. Bei Einführung des Grundsteuerkatasters durch die Preußische Regierung am 3. Februar 1841 wurden Schnatgänge verboten. Im 20. Jahrhundert lebten sie aber wieder als Reminiszenz an das alte Brauchtum auf. Auch in Dorsten und Umgebung.

Geschichtskreis-Mitglied Walter Biermann hat in seinem umfangreichen Archiv einen Artikel aus unserer Zeitung, der vor fast genau zehn Jahren erschienen ist: Damals machten Mitglieder des Schermbecker Heimat- und Geschichtsvereins und des Ökumenischen Geschichtskreises Holsterhausen während eines Schnatgangs genau an der Stelle eine Rast, an der am Freitag (25.1.) die Bodenplatte eingeweiht wurde.

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